Wesentlichkeitsanalyse – mit drei Perspektiven die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen identifizieren

Wesentlichkeitsanalyse

14.01.2022

Wesentlichkeitsanalyse – mit drei Perspektiven die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen identifizieren

Liebe Leserin, lieber Leser,

meine Mandanten sind oft überrascht, wenn sie die vielen Nachhaltigkeitsthemen sehen, die für Unternehmen/Organisationen im Kontext von Nachhaltigkeitsberichterstattung von Relevanz sein können. Die Fülle der unterschiedlichsten Nachhaltigkeitsaspekte kann auf den ersten Blick erschlagen. Viele fühlen sich überfordert, wenn sie beispielsweise von Auftraggebern aufgefordert werden, erstmals über ihre Nachhaltigkeitsleistungen zu berichten.

Die Frage, die ich immer wieder höre, lautet: Wie fängt man an?

Ganz einfach – mit einer Wesentlichkeitsanalyse, auch Materialitätsanalyse genannt. Dies ist ein Analysetool aus dem Bereich der Strategieentwicklung. Damit werden die für ein Unternehmen/eine Organisation und seine Stakeholder (Interessengruppen/Anspruchsgruppen) wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen ermittelt.

Das erleichtert das Leben enorm, wenn aus potenziell 100 möglichen Nachhaltigkeitsthemen beispielsweise nur 20 mit hoher Relevanz herausgefiltert werden. Auf die gilt es sich dann zu fokussieren, sowohl bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung als auch bei der Nachhaltigkeitsstrategie.

Doch wie läuft eine Wesentlichkeitsanalyse ab? Wie wird das Wesentliche aus der Fülle der potenziell relevanten Nachhaltigkeitsthemen herausgefiltert?

Tipps + Kicks

Ich empfehle die Vorgehensweise, die der CSR-Berichtsstandard Deutscher Nachhaltigkeitskodex vorgibt: das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit, ergänzt um die Stakeholderperspektive. (1)

Die doppelte Wesentlichkeit umfasst zwei Perspektiven.

Outside-­in­-Perspektive

  • Welche ökologischen, sozialen, ökonomischen und politischen Besonderheiten gibt es im Umfeld des Unternehmens/der Organisation?
  • Welche wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen wirken auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens/der Organisation ein? Sowohl mit positiven als auch mit negativen Wirkungen?

Inside-out-Perspektive

  • Welche wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen werden durch die Geschäftstätigkeit des Unternehmens/der Organisation beeinflusst? Sowohl mit positiven als auch mit negativen Wirkungen?

Bei diesen Analysen können Themenlisten mit potenziell wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen hilfreich sein., wie beispielsweise die Kriterienliste des IÖW (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und future e. V. – verantwortung unternehmen) . Diese Kriterien wurden im Rahmen des Ranking der Nachhaltigkeitsberichte 2021 neu definiert und systematisieren die Anforderungen des IÖW an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. (2)

Themenliste mögliche Nachhaltigkeitsthemen IÖW Kriterienset

Quelle: IÖW future e.V. , Ranking der Nachhaltigkeitsberichte 2021, Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung, Kriterienset S. 32 und 33

Alternativ kann auch die Tabelle mit potenziell wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen aus den drei Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung hilfreich sein, die im Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex abgebildet ist . (3)

Quelle: Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex S. 22

Stakeholder-Perspektive

Um der Betriebsblindheit vorzubeugen, sollen In einem nächsten Schritt zentrale Stakeholder befragt werden, welche Nachhaltigkeitsthemen aus ihrer Sicht von besonderer Relevanz für das Unternehmen/die Organisation sind.

Dafür muss erst einmal geklärt werden, welche Interessengruppen einen hohen Einfluss auf das Unternehmen/die Organisation haben. Und umgekehrt: Auf welche Interessengruppen hat die Geschäftstätigkeit des Unternehmens/der Organisation einen hohen Einfluss?

Zu den Interessengruppen zählen Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten, Gesellschafter, Banken, Wettbewerber, Staat, Gesetzgeber, Kommunen, Medien, Anwohner, Nichtregierungsorganisationen, Umweltschutzgruppen (Interessen der Natur), Kooperationspartner, Verbände, etc.

Die aus der Perspektive zentraler Stakeholder als wesentlich angesehenen Themenfelder können auf unterschiedliche Weise ermittelt werden, unter anderem durch Online-Befragungen, persönliche Gespräche, Workshops etc.

Wesentlichkeitsmatrix (Materialitätsmatrix)

Wer mag, kann dann abschließend die Ergebnisse der drei Analysen in einer Wesentlichkeitsmatrix darstellen, mit Abstufungen der Relevanz eines Themas von gering, mittel bis hoch:

X-Achse: relevante Themen aus Unternehmenssicht (Outside-in und Inside-out-Perspektiven)

Y-Achse: relevante Themen aus der Stakeholder-Perspektive

Fazit: Mit dieser systematischen Vorgehensweise können die relevanten Nachhaltigkeitsthemen identifiziert werden. Dies ist nicht nur für die Nachhaltigkeitsberichterstattung hilfreich.

Die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse bilden zudem die optimale Ausgangsbasis für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie, insbesondere für die

  • Definition von Handlungsfeldern
  • Entwicklung von strategischen und operativen Zielen
  • Festlegung von Maßnahmen
  • Zuordnung von Kennzahlen/Leistungsindikatoren

Der Wandel zu einem Leben im Einklang mit Mensch und Natur beginnt – mit Dir!

Herzliche Grüße

Elke Vohrmann

 

Quellen:

(1) https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Documents/PDFs/Sustainability-Code/Leitfaden-zum-Deutschen-Nachhaltigkeitskodex-Orien

Die Wesentlichkeitsanalyse wird im Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex auf den Seiten 20 – 25, 34, 35 ausführlich beschrieben.

(2) https://www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/fileadmin/ranking/user_upload/2021/Ranking_der_Nachhaltigkeitsberichte_2021_Bewertungskriterien.pdf

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und future e. V. – verantwortung unternehmen: Ranking der Nachhaltigkeitsberichte 2021: Das Kriterienset ist auf den Seiten 32 und 33 aufgeführt.

(3) https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Documents/PDFs/Sustainability-Code/Leitfaden-zum-Deutschen-Nachhaltigkeitskodex-Orien

Im Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex findet sich auf der Seite 22 eine Übersicht über potenziell wesentliche Themen aus dem Umfeld.

Grafik: © Elke Vohrmann

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