Liebe Leserin, lieber Leser,
vor einigen Jahren lernte ich durch einen Vortrag eines Klima-Wissenschaftlers, dass es Kippelemente im Erdsystem gibt, die von höchster Relevanz für das Erdklima sind. Dies sind:
- die Eiskörper (Arktisches Meereis, Grönland-Eispanzer, Dauerfrostböden u.a.m.)
- die Strömungssysteme der Luft und des Meeres
- die Ökosysteme (Amazonas-Regenwald, Nordische Nadelwälder, Korallenriffe, Marine Kohlenstoffpumpe)
Ein Beispiel für ein Eiskörper-Kippelement: Die arktischen Dauerfrostböden in Sibirien und Nordamerika könnten durch die Erderwärmung beim Auftauen riesige Mengen an Kohlenstoffdioxid und Methan freisetzen – und so den Klimawandel noch mehr verstärken.
Ich empfehle, dazu einen Blick auf die Grafik der Infothek des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zu werfen. Dort sind die Kippelemente der Erde anschaulich dargestellt. Zudem sind spannende Details zu jedem Kippelement erläutert. (1)
Gänsehaut bekam ich, als der Wissenschaftler damals in seinem Vortrag beschrieb, dass der Menschheit nur noch eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht, wenn bestimmte rote Linien überschritten werden. Ab einem Zeitpunkt X könne der Mensch keinen korrigierenden Einfluss mehr auf die Erderwärmung nehmen. Die Veränderungsprozesse der Kippelemente würden sich verselbständigen und unumkehrbar sein.
„Ich möchte, dass ihr in Panik geratet. Ihr sollt die Angst spüren, die ich jeden Tag spüre. Und ich möchte, dass ihr handelt. Dass ihr so handelt wie in einer Krise. Ich möchte, dass ihr so handelt, als wenn unser Haus brennen würde. Denn es brennt bereits.“(2)
Dies sagte die 16 jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg (3) den Politikern und Wirtschaftsvertretern, bei der UN-Klimakonferenz in Katowice/Polen und beim Weltwirtschaftsforum in Davos – und löste in kürzester Zeit die weltweite Bewegung Fridays For Future (4) aus. Schüler und Studenten streiken an Freitagen für die Einhaltung der Klimaziele.
Ich kann die Angst der Schülerin Greta Thunberg und aller jungen Menschen der Fridays for Future Bewegung verstehen. Sie resultiert auch aus den alarmierenden Erkenntnissen der aktuellen weltweiten Klimaforschung, die Ende 2018 im aktuellen Sonderbericht des IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change (5) – auch Weltklimarat genannt – veröffentlicht wurden.
Mitglieder des 1988 gegründeten IPCC sind 195 Staaten der Erde. Tausende von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt werden vom IPCC berufen und erarbeiten die Sachstandsberichte zum Klimawandel.
Der aktuelle IPCC-Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung (6) wurde zur Vorbereitung der 24. UN-Klimakonferenz in Katowice (Dezember 2018) erstellt. Auch mir hat er gezeigt: Unser Haus brennt!
Im 2015 geschlossenen Übereinkommen von Paris haben 196 Staaten der Erde vereinbart, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad (“Zwei-Grad-Ziel”) zu begrenzen, im Vergleich zum vorindustriellen Niveau – wenn möglich auf 1,5 Grad.
Man könnte denken: Was macht denn 1,5 Grad zu 2 Grad Erderwärmung schon großartig aus?
Der IPCC Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung macht deutlich: Dieser Unterschied von 0,5 Grad ist erheblich! Die negativen Auswirkungen der Erderwärmung auf Millionen von Menschen und auf die oben genannten Kippelemente unseres Erdsystems werden bei einer Erwärmung um 1,5 °C zunehmen und bei 2 °C noch weiter ansteigen.
Hier einige Auszüge aus der Zusammenfassung des IPCC-Sonderberichts für politische Entscheidungsträger (7):
„A.1 Menschliche Aktivitäten haben etwa 1,0 °C globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau verursacht, mit einer wahrscheinlichen Bandbreite von 0,8 °C bis 1,2 °C.
Die globale Erwärmung erreicht 1,5 °C wahrscheinlich zwischen 2030 und 2052, wenn sie mit der aktuellen Geschwindigkeit weiter zunimmt.“
„B.5 Klimabedingte Risiken für Gesundheit, Lebensgrundlagen, Ernährungssicherheit und Wasserversorgung, menschliche Sicherheit und Wirtschaftswachstum werden laut Projektionen bei einer Erwärmung um 1,5 °C zunehmen und bei 2 °C noch weiter ansteigen.“
Die Klimawissenschaftler machen im Sonderbericht klar:
- 1,0 °C globale Erwärmung haben wir bereits erreicht.
- Das 1,5 Grad Ziel muss erreicht werden. Ein Anstieg um 2 Grad hat weitaus gravierendere negative Folgen für Millionen Menschen und für das Erdsystem.
- Dafür müssten die CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent reduziert werden – und bis 2050 sogar auf Null sinken.
Wie sieht der weltweite CO2 -Emissionsausstoß aktuell aus?
2018 wurden circa 42 Gigatonnen an CO2 ausgestoßen – also 1.332 Tonnen pro Sekunde. Laut IPCC dürften noch knapp 420 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre abgegeben werden, um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen. Das Budget für das Zwei-Grad-Ziel beträgt rund 1.170 Gigatonnen CO2. (8) (9)
Die animierte CO2 Uhr des MCC Mercator Research Instituton Global Commons an Climate Change zählt das verbleibende CO2 Budget und die Zeit herunter, die für das Erreichen der Klimaziele bleiben.
Die Uhr tickt: Das Budget des 1,5-Grad-Ziels würde bei gleichbleibenden CO2 Emissionen schon in weniger als neun Jahren aufgebraucht sein, das Budget des Zwei-Grad-Zieles in ca. 26 Jahren.
Doch die Politik – auch in Deutschland – nimmt die Klimaziele nicht ernst genug. Der 2018 verabschiedete Klimaschutzbericht 2017 der Bundesregierung informiert uns stattdessen, dass die Treibhaus-Emissionen bis 2020 nur um 32 Prozent zurückgehen werden (11), somit das für Deutschland verpflichtende Klimaziel „vierzig Prozent Minderung“ verfehlt wird.
Mein Fazit:
Ich stimme Greta Thunberg und den jungen Menschen der Friday for Futures Bewegung zu. Nicht nur die Jugend, sondern wir alle sollten den Politikern permanent auf die Füße treten. Sie müssen wirklich alles schleunigst tun, damit die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzt werden kann, um die negativen Folgen für Mensch und Natur abzumildern. Das Zeitfenster dafür wird immer kleiner.
Tipps + Kicks:
1. Ihr könntet die Streiks der jungen Menschen für den Schutz des Klimas unterstützen, durch Eure Präsenz – beispielsweise am 15. März 2019. Die Fridays For Future Bewegung wird dann weltweit streiken, auch in Deutschland. Je mehr Menschen aus allen Alters- und Bevölkerungsgruppen sich beteiligen, desto eher wird die Politik auf diesen Druck reagieren.
Auf der Website von Fridays For Future gibt es eine Liste von über 150 Städten in Deutschland, mit den Uhrzeiten.
https://fridaysforfuture.de/march15th/
In Düsseldorf startet der Streik um 11 Uhr. Ich werde da sein.
2. Als Eltern könntet Ihr Eure Kinder unterstützen, in dem ihr einer Regionalgruppe von Parentsforfuture (12) beitretet. Ein Interview zur Motivation der Eltern und Organisatoren, die Parentsforfuture vor kurzem gegründet haben, fand ich hier:
3. Mein Buchtipp, zum Selberlesen und zum Verschenken (5 Euro): „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel.” Von David Nelles und Christian Serrer. Mit vielen anschaulichen Grafiken, ergänzt um kurze Texte, werden die Kippelemente der Erde und der Klimawandel verständlich und wissenschaftlich fundiert erklärt.
4. Verbreitet diese Informationen in Eurem Freundes- und Bekanntenkreis.
Herzliche Grüße
Elke Vohrmann
Quellen:
(1) Artikel des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung „Kippelemente – Achillesfersen im Erdsystem“
https://www.pik-potsdam.de/services/infothek/kippelemente/kippelemente?set_language=de
(2) Die komplette Rede von Greta Thunberg auf dem Kongress des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses am 21.2.2019 in Brüssel, in deutscher Übersetzung:
(3) Greta Thunberg
https://de.wikipedia.org/wiki/Greta_Thunberg
https://twitter.com/gretathunberg?lang=de
(4) Fridays for Future
(5) IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change
Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle https://www.de-ipcc.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Intergovernmental_Panel_on_Climate_Change:
“Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen)[1], im Deutschen oft als „Weltklimarat“ bezeichnet, wurde im November 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als zwischenstaatliche Institution ins Leben gerufen, um für politische Entscheidungsträger den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen mit dem Ziel, Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu bieten, ohne dabei Handlungsempfehlungen zu geben.[2] Der Sitz des IPCC-Sekretariats befindet sich in Genf (Schweiz), 195 Regierungen sind Mitglieder des IPCC[3], darüber hinaus sind mehr als 120 Organisationen als Beobachter des IPCC registriert.[4]
Hauptaufgabe des Ausschusses ist es, die naturwissenschaftlichen Grundlagen und den weltweiten Forschungsstand über die Auswirkungen des Klimawandels und seine Risiken sowie Minderungs- und Anpassungsstrategien zusammenzutragen und aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten.[5][6]
Dazu beruft der IPCC tausende Wissenschaftler aus aller Welt. Diese erstellen die Sachstandsberichte des IPCC. Bisher hat der IPCC fünf Sachstandsberichte und mehr als zehn Sonderberichte sowie Richtlinien für die Erstellung von Treibhausgasinventaren veröffentlicht.[7]
Die Sachstandsberichte des Weltklimarats gelten in der Wissenschaft als glaubwürdigste und fundierteste Darstellung bezüglich des naturwissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Forschungsstandes über das Klima und seine Veränderungen sowie über Möglichkeiten des Umgangs damit.[8] Er wurde 2007, gemeinsam mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.“
(6) IPCC Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung
https://www.de-ipcc.de/256.php
(7) IPCC Sonderbericht: diverse Downloads
https://www.de-ipcc.de/128.php
Download Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5), 2018
Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (SPM; dieses Dokument beinhaltet auch die Hauptaussagen des Sonderberichts als fett gedruckte Absätze zu Beginn jedes Abschnitts)
Hauptaussagen SR1.5 SPM, zusammengestellt in separatem Dokument
(8) CO2-Budget
https://de.wikipedia.org/wiki/CO2-Budget
(9) Weitere Informationen zum CO2-Budget
https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html
(10) Mercator Research Institut on Global Commons and Climate Change
„So schnell tickt die CO2-Uhr“
https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html
(11) Klimaschutzbericht 2017 zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung.
https://www.bmu.de/publikation/klimaschutzbericht-2017
(12) Parents For Future
Grafik: © Elke Vohrmann